Barbies Geschichte: Vom deutschen Lückenfüller zum amerikanischen Kassenschlager

27.07.2023 Wiebke Hauschildt (Online Redaktion)

Im Kino vollenden Margot Robbie und Ryan Gosling zurzeit die Wahrnehmung Barbies von einem ausschließlich auf Konsum ausgerichteten, oberflächlichen Charakter hin zur feministischen Ikone. Barbie hat jedoch darüber hinaus eine spannende Geschichte zu erzählen, die erstaunlicherweise im Nachkriegsdeutschland beginnt. Und noch erstaunlicher: in der Bild-Zeitung.

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Die allererste Ausgabe der BILD soll am 24. Juni 1952 erscheinen. Eigentlich. Doch hat die zukünftig größte Boulevard-Zeitung Deutschlands ein Problem und zwar eine Leerstelle, einspaltig, auf Seite 2. Damit die Druckerpressen angeworfen werden können, braucht die BILD-Redaktion einen Lückenfüller und beauftragt den Karikaturisten Reinhard Beuthien damit, in aller Schnelle eine Zeichnung zu entwerfen. Beuthien macht sich an die Arbeit und zeichnet eine junge Frau bei einer Wahrsagerin, die ihr Anliegen kurz und knapp auf den Punkt bringt: „Können Sie mir nicht Namen und Adresse dieses großen, schönen, reichen Mannes sagen?“ Der Vollständigkeit halber: Die Wahrsagerin guckt etwas konsterniert. Übertitelt wird der spontane Lückenfüller mit „Lilli“ und erscheint fortan täglich, ebenso wie die BILD.

Dem damaligen Schönheitsideal entsprechend ist Lilli groß, schlank und blond; abweichend vom gängigen Frauenbild der fünfziger Jahre ist sie aber unabhängig, schlagfertig und sehr direkt in ihren Meinungsäußerungen („ich könnte ohne alte Glatzköpfe auskommen, aber meine Urlaubskasse nicht!“). 

Lilli ist so populär, dass die BILD 1955 eine Lilli-Puppe kreieren lässt. Die von der Spielzeugfabrik O. & M. Hausser in Neustadt bei Coburg produzierte Puppe steht in ihrer Beliebtheit der Comic-Figur Lilli in nichts nach und entwickelt sich über Deutschland hinaus zum Verkaufsrenner.

Mattel schaltet sich ein: Aus Lilli wird Barbie

Die Mitbegründerin der US-amerikanischen Spielzeugmarke Mattel, Ruth Handler, verbringt ihren Urlaub 1955 in Europa und findet in der Schweiz Lilli-Puppen, von denen sie mehrere für ihre Tochter Barbara kauft. Barbara ist begeistert von den Puppen und Ruth Handler erkennt schnell das Potenzial Lillis als Spielzeug für junge Mädchen.

Aus „BILD-Lilli“ und dem Vornamen von Handlers Tochter wird die Barbie-Puppe, wie Lilli sofort ein Verkaufsschlager, der 1959 auf einer New Yorker Spielwarenmesse erstmals präsentiert wird – optisch identisch zur deutschen Lilli-Puppe. 1964 erwirbt Mattel die Rechte an der deutschen Puppe, woraufhin die deutsche Produktion eingestellt wird. Bereits 1962 hatte Lilli ihren letzten Auftritt in der BILD-Zeitung. 

(Als Inspiration für die spätere Ken-Puppe diente übrigens Ruth Handlers Sohn Kenneth).
 

Die DDR schaltet sich ein: Aus Lilli wird Steffi

Im Jahr 1966 wird auch in der DDR eine Lilli-ähnliche Puppe namens Steffi auf den Markt gebracht. Produziert von der VEB-Puppenfabrik Waltershausen ist sie eine „charmante Mannequin-Puppe“, die allerdings reifer und damenhafter als die Lilli- und Barbie-Puppen wirkt und nicht vorrangig als Spielzeug produziert wird.

Steffi, mit Fönfrisur, sowohl in schicker als auch alltagstauglicher Kleidung oder in Interfluguniform, wird damals gerne als Präsent an Staatsgäste vergeben. Im Gegensatz zu Lilli und Barbie, die in den sechziger Jahren ausschließlich blond oder brünett und weiß waren, gibt es Steffi in unterschiedlichen Haut- und Haarfarben.

Lilli wird eingestellt, Barbie wird weltberühmt

Generationen von Kindern weltweit spielen seither mit der Barbie-Puppe. Barbie – ihr voller Name lautet Barbara Millicent Roberts – hatte über 200 unterschiedliche Karrieren, von Astronautin zu Tierpflegerin, von Pilotin zu Sekretärin und Krankenschwester. 

Als Antwort auf die Kritik an dem sehr einheitlichen Aussehen der Puppe bringt Mattel 1980 eine Latinx-Barbie auf den Markt, 1990 erscheint eine Schwarze Barbie, die gemeinsam mit einer Fokusgruppe Schwarzer US-amerikanischer Kinder und Eltern entwickelt wurde.
 

Der mittlerweile ikonischen Puppe wird über die Jahre immer häufiger eine Vorbildfunktion verliehen: Im März 2018 erscheinen 17 unterschiedliche Puppen nach berühmten historischen Vorbildern, u.a. Frida Kahlo, Amelia Earhart, Misty Copeland und Patti Jenkins. Heute gibt es die Barbie-Puppe nicht nur in gertenschlank, sondern mit vier verschiedenen Figuren, sieben Hautfarben und 22 Augenfarben: eine echte Erfolgsgeschichte, die ihren Anfang zufällig in Deutschland nahm.

Farbfoto einer Latinx-Barbie mit weißem Oberteil, schwarzer Jacke und rotem Rock
„Hispanic-Barbie-Puppe“, Deutsches Historisches Museum
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