Die Konservendose – so viel mehr als nur Lebensmittelverpackung

15.08.2022 Lena Hennewig (wissenschaftliche Mitarbeiterin)

Laut Duden ist die Konservendose eine „Blechdose, in der Lebens-, Genussmittel luftdicht verschlossen konserviert werden“. Erfunden um das Jahr 1800, findet sie sich noch heute in fast jedem Haushalt und ist eigentlich nichts Besonderes. Oder etwa doch?

„Eine Armee marschiert mit ihrem Magen.“ Die Konservendose und Napoleon Bonaparte

Die Erfolgsgeschichte der Konservendose beginnt im Frankreich des Jahres 1795 mit Napoleon Bonaparte und einer von ihm initiierten Ausschreibung: Wer eine Möglichkeit entwickelt, Lebensmittel länger haltbar zu machen, und damit militärische Truppen zuverlässig versorgen kann, sollte 12.000 Francs erhalten. Bis dahin waren die Truppen auf ihren Feldzügen auf den Erfolg ihrer militärischen Aktivitäten angewiesen: Nur was erbeutet und „erplündert“ wurde, konnte auch verzehrt werden. Dementsprechend kamen Soldaten häufiger durch verdorbene Nahrung, Mangel- oder Unterernährung ums Leben als im Gefecht. „Eine Armee marschiert mit ihrem Magen“, soll Napoleon gesagt haben.

Die Erfindung der Konserve

Bei einem durchschnittlichen Jahresverdienst von 500 Francs waren die 12.000 Francs, die von Napoleon Bonaparte ausgelobt worden waren, eine beachtliche Summe, die sich auch Nicolas Appert nicht entgehen lassen wollte. Nicolas Appert war ein Pariser Koch und Konditor, der sich ab 1796 von seinem erlernten Handwerk abwandte und seine Zeit ausschließlich der Erforschung und Erfindung von Methoden zur Lebensmittelkonservierung widmete.

Appert hatte die Idee, Nahrungsmittel in luftdicht verschließbaren Glasbehältern zu erhitzen und somit zu konservieren – ein Verfahren, das im deutschen Sprachgebrauch als „Einkochen“ oder auch „Einwecken“ bekannt ist. Nach jahrelangem Tüfteln kam Appert zu folgendem Ergebnis: Er füllte zubereitete Nahrung in ausgediente Champagnerflaschen und versiegelte sie mit gebranntem Kalk und Käse – eine Technik, die funktionierte! Nach der ebenfalls erfolgreichen Erprobung durch die französische Marine bekam Appert im Jahr 1810 die Belohnung in Höhe von 12.000 Francs ausgezahlt. Bereits 1804 hatte Appert, überzeugt von seiner Erfindung, die weltweit erste Konservenfabrik eröffnet. Der geistige Vater der Konserve im Glas verfasste eine Abhandlung zu seiner Erfindung, die Sie hier in der deutschen Übersetzung lesen können.

Stabiles Blech statt zerbrechlichem Glas

Es stellte sich jedoch schnell heraus, dass Glas als Material aufgrund seiner Zerbrechlichkeit nicht ideal für den Transport und Feldeinsatz geeignet war – die Lösung des Problems folgte noch im Jahr 1810 in England: Der britische Kaufmann Peter Durand ließ sich seine Umsetzung der Idee Apperts mit Blech- anstelle von Glasbehältnissen patentieren. Ab 1813 ging die Blechdose dann in die Massenproduktion.

Die Form folgt dem Druck. Warum Konservendosen rund und nicht eckig sind

Doch warum ist die Konservendose eigentlich rund? Man könnte meinen, eine eckige Konservendose wäre viel praktischer und platzsparender. Damit die Lebensmittel in Konservendosen tatsächlich länger haltbar bleiben, ist das Erhitzen des befüllten und geschlossenen Behältnisses obligatorisch. Der bei diesem Vorgang entstehende Druck, der sich – wir kennen es vom runden Luftballon – gleichmäßig ausbreitet, würde eine eckige Konservendose ohnehin in eine runde Form bringen. Daher werden sie direkt zylinderförmig hergestellt.

Zunächst wurde die Konserve hauptsächlich im militärischen Kontext und von wohlhabenden Menschen genutzt; bei einer durchschnittlichen Produktionsgeschwindigkeit von zunächst lediglich einer Dose pro Stunde ist dies nicht weiter erstaunlich. Die französische Heimatarmee oder auch die britische Armee nutzten die haltbar gemachten Lebensmittel auf ihren Feldzügen und waren nun ernährungstechnisch unabhängig vom Erfolg ihrer Einsätze und ihrer Plünderungen.

Bereits im Ersten Weltkrieg hatte die Konservendose eine entscheidende Bedeutung. Der britische Schriftsteller und Journalist George Orwell vertrat sogar die Auffassung, der Erste Weltkrieg hätte ohne die Erfindung der Konservendose gar nicht stattgefunden.

Besser spät als nie! – Die Erfindung des Dosenöffners

Doch wie kam der hungrige Soldat an all die konservierten Köstlichkeiten heran, die in den Konservendosen so gut und sicher verpackt waren? Er musste sich zunächst mit Messer, Bajonett, oder Hammer und Meißel behelfen – eine, wie man sich vorstellen kann, recht umständliche und nicht ganz reinliche Angelegenheit.

Erst im Jahr 1870, also exakt 60 Jahre nach der Patentierung der Konservendose durch Peter Durand, wurde auch der Dosenöffner patentiert. Bis der heute weit verbreitete Aufreißdeckel oder der in die Dose integrierte Schlüssel zur Öffnung erfunden wurde, vergingen weitere Jahre bis Jahrzehnte.

300 Milliarden Dosen pro Jahr – die unvorstellbaren Ausmaße der industriellen Massenherstellung

Seit dem späten 19. Jahrhundert wird die Konservendose in industrieller Massenherstellung produziert. Um die Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert wurden alleine in den USA 700.000 Weißblechdosen jährlich hergestellt. Weltweit waren es im Jahr 2017 bereits 300 Milliarden, Tendenz steigend. Im Jahr 2019 wurden allein in Deutschland 4 Milliarden Konservendosen verkauft.

Siegeszug im Privathaushalt

Mit Aufnahme der industriellen Massenproduktion nahm auch die Verwendung der Konservendose in Privathaushalten zu. In den 1950er Jahren trat die Konservendose dann endgültig ihren Siegeszug in den heimischen Küchen an. Internationale Spezialitäten kamen sorgfältig in Dosen verpackt und sterilisiert aus aller Welt nach Deutschland. Auch die Getränkeindustrie machte sich die Dose zu eigen und füllte Limonade und Bier in die praktischen Blechgefäße.

Doch wie kam es zu diesem regelrechten Konservendosenboom?

Das beginnende Wirtschaftswunder der 1950er Jahre verhalf vielen Menschen überall in der westlichen Welt zu neuem Wohlstand und erlaubte den Erwerb von konservierten Lebensmitteln aus fernen Ländern:

Exotisches Obst und Gemüse konnte vor Ort verpackt, haltbar gemacht und in den heimischen Supermarkt verschifft werden. Die lange Transportzeit war durch die Konservierung gesundheitlich kein Problem mehr und durch die höhere Kaufkraft der Privathaushalte auch finanziell zu verkraften.

Die Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs – unter anderem Nahrungsmittelknappheit, Hunger und Verlust – haben gewiss ebenfalls zum Siegeszug der Konservendose beigetragen und den Wunsch nach stets verfügbarer, langfristig lagerbarer und einfach transportabler Nahrung gefördert.

Not macht erfinderisch – die Konservendose als Universalgenie

Die Konservendose ist aber nicht nur eine praktische und hilfreiche Nahrungsmittelaufbewahrung. Sie versorgte nicht nur Armeen auf ihren Feldzügen oder beruhigte die von Hunger, Nahrungsmittelknappheit und -verderben traumatisierte (Nach-)Kriegsgeneration:

Die geleerte Weißblechdose lässt sich auch hervorragend zweckentfremden und hat schon aus so mancher Notlage herausgeholfen.

So lässt sich aus einer einfachen Konservendose mit ein wenig Geschick, etwas Draht und einer Eisenstange ein voll funktionsfähiger Kaffeeröster herstellen, aber auch andere praktische Haushaltsgeräte wie Petroleumlampen oder Küchenreiben können in Notsituationen aus Konservenbüchsen hergestellt werden.

Gerne wurden die improvisierten Haushaltshelfer zu besonderen Anlässen, wie Hochzeiten oder Geburtstagen, privat hergestellt und an Freunde und Familie verschenkt. In einer Zeit, in der es häufig schon am Dach über dem Kopf fehlte, mit Sicherheit eine große Geste und Freude!

Gerade auch Kinder waren von der entbehrungsreichen Zeit während und nach dem Zweiten Weltkrieg betroffen: Ihnen fehlte es nicht nur an Nahrung und Kleidung, sondern auch an Spielzeug. Ein Vater aus Braunschweig nutzte deshalb eine amerikanische Konservendose und den Unterbau einer alten Märklin-Eisenbahn, um für seinen Sohn einen Eisenbahnwaggon zum Spielen zu bauen. Die geprägten Details imitieren hierbei Stahlpfosten, Holzbretter und Schiebetüren.

Das Spielzeug zeigt gleichermaßen die Not der damaligen Zeit, aber auch große Kreativität und den Willen, in einer schwierigen Zeit etwas Positives zu schaffen.

Und heute?

Der Zweite Weltkrieg ist schon über 70 Jahre vergangen, aber bis heute ist die Konservendose aus vielen Bereichen unseres Lebens nicht wegzudenken: Neben der Speisekammer – nicht nur in Krisenzeiten wie der COVID-19-Pandemie – finden wir die Konservendose heute in zahlreichen Spielzimmern, bei fast jedem Kindergeburtstag und sogar in den Kunsttempeln dieser Welt.

Andy Warhol widmete der konservierten Dosensuppe eine eigene weltberühmte Druckreihe, deren Werke in bedeutenden Museen, wie dem Museum of Modern Art in New York, ausgestellt sind.

Und bis heute kommt keine Kindheit ohne Dosenstelzen und -telefon aus, kaum ein Kindergeburtstag ohne das laute Scheppern beim Dosenwerfen.

Mehr Konservendosen in der Deutschen Digitalen Bibliothek


Quellen:

Wissenschaftliche Beiträge zur Konservendose und ihrer Geschichte:

Aufsatz des Sozial- und Wirtschaftshistorikers Uwe Spiekermann über Lebensmittelkonservierung:

https://uwespiekermann.files.wordpress.com/2018/05/artikel_lebensmittelkonservierung.pdf

Abhandlung zum Thema „Thermische Konservierung in der Lebensmittelindustrie“ mit einer Kurzgeschichte der Konservendose:

https://books.google.de/books?id=ckJ0BAAAQBAJ&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q&f=false

Publikationen des Norwegischen Konservendosenmuseums in Stavanger (Norsk Hermetikkmuseum) in englischer Sprache:

https://iddismuseum.no/uploads/im/AMAZING-STORY-OF-STAVANGER-SARDINES-ENGELSK-OVERSETTELSE.pdf

https://iddismuseum.no/uploads/im/R%C3%B8gede-norsk-sardiner-engelsk.pdf

https://iddismuseum.no/uploads/im/Sardines-and-sardine-labels-engelsk.pdf

https://iddismuseum.no/uploads/im/The-Race-for-the-Seaming-Machine-engelsk.pdf


Historische Quellen:

Nicolas Appert über seine Erfindung der Konserve:

https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/ZZBHKUKP2K4LWCBB3FKCLUH2FYFXST27 (deutsche Übersetzung)

https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/LOGKUHMHRP7P7JJ62Z6SL3FEI2MZ3I5G (französische Originalversion)

Peter Durand über sein patentiertes Verfahren zur Konservierung von Lebensmitteln:

https://books.google.co.jp/books?id=HvkKAQAAIAAJ&pg=PA193&hl=de#v=onepage&q&f=false (englische Originalversion)


Allgemeines zur Konservendose und ihrer Geschichte:

https://de.wikipedia.org/wiki/Konservendose

https://de.wikipedia.org/wiki/Nicolas_Appert

https://www.dw.com/de/die-geschichte-der-konservendose/a-5533034

https://www.br.de/wissen/konservendose-erfindung-erfinder-appert-durand-100.html

https://www.br.de/wissen/konservendose-erfindung-erfinder-appert-durand-100.html

https://www.stern.de/genuss/proviant-fuer-die-truppen--wie-napoleon-die-entwicklung-der-konservendose-auf-den-weg-brachte-9365994.html


(Nicht nur) für Kinder:

https://www.wdrmaus.de/filme/sachgeschichten/konservendose.php5

https://www.wasistwas.de/details-technik/die-konservendose-eine-geniale-erfindung.html

https://www.br.de/kinder/konserve-konservendose-wer-hat-das-essen-in-dosen-erfunden-kinder-lexikon-100.html

Schlagworte: