Versehen Sie Ihre Bücher mit Ihrem Namen? Schreiben Sie Widmungen in verschenkte Bücher oder interessiert Sie auf dem Flohmarkt auch eher die erste, vermeintlich leere Seite eines Buches, weil sie Spuren ihrer Vorbesitzer*innen tragen könnte?

Dann sind Sie in der richtigen Gesellschaft, denn anlässlich des #DDBücherfrühling geht es diesen Monat um das Exlibris und seine Vorläufer.

Exlibris sind kleine Kunstwerke. Grafiken in Form von Holzschnitten, Kupferstichen oder Radierungen, die auf einen Zettel gedruckt und in den Einband eines Buches geklebt werden. Dort weisen sie dessen stolze Besitzer*innen aus. Entstanden ist das Exlibris, wie wir es heute kennen, im späten 15. Jahrhundert. Exlibris bedeutet aus dem Lateinischen übersetzt „aus den Büchern (von)“. Doch dazu später mehr. Denn Exlibris sind bei Weitem nicht die ersten und auch nicht die kreativsten Vermerke von Bucheignerschaft.

Frühe Eigentumsvermerke: das Etikett

Die wohl ältesten bekannten Besitzvermerke in Büchern finden sich im alten Ägypten zu der Zeit von Amenhotep III. (etwa 1388 bis um 1351 v. Chr.). Erhalten ist heute eine kleine, blau glasierte Keramikplakette mit zwei kleinen Löchern, die im British Museum aufbewahrt wird. Wahrscheinlich handelt es sich hier um das Etikett einer Papyruskiste. Die englische Übersetzung der hieroglyphischen Inschrift lautet: "Beloved of Ptah, the king of the Two Lands, the good god Amenhotep III, may he be given life; the wife of the king, Tiye, may she live" "the book of the moringa tree." Bis heute ist nicht eindeutig geklärt, auf welches Buch sich die Inschrift bezieht. Den Besitz macht es dahingegen unmissverständlich – Amenhotep III. und seine Frau Tiye. Der Inhalt einer Papyrustruhe konnte entweder durch eine solche Plakette oder mittels einer Verzierung auf dem Deckel gekennzeichnet werden.

In Europa sind die Vorläufer des heutigen Exlibris zunächst kurze handschriftliche Eintragungen. Mit der Entstehung klösterlicher und herrschaftlicher Bibliotheken im Mittelalter entwickeln sich auch erste Systematiken, die in ähnlicher Form bis heute verwendet werden. Wobei Bücher (bzw. Ton- und Wachstafeln) bereits in Mesopotamien, in der sumerischen und der babylonischen Hochkultur in Bibliotheken und Tempeln aufbewahrt, systematisiert und gekennzeichnet werden.

Der Fluch

Ein besonders spannender Vorläufer des Exlibris ist der Buchfluch. Bücherflüche sind so alt, wie Bibliotheken selbst. Der früheste heute bekannte Buchfluch stammt dementsprechend aus dem Assyrischen Reich und wird auf die Herrschaft des Königs Aššurbanipal (669 v. Chr. bis 631/627 v. Chr.) datiert. Die Bibliothek des Aššurbanipal in Ninive ist eine der frühesten ihrer Art. Hier finden sich zahlreiche in Keilschrift verfasste Tontafeln, die Inschriften tragen, welche sie vor Diebstahl und Vandalismus schützen sollen. Die Flüche drohen mit der Vergeltung oder dem Zorn babylonisch-assyrischer Gottheiten wie Nabu, dem Gott der Schreibkunst, oder Aššur, dem Reichsgott des Assyrischen Reiches.

Aus heutiger Sicht wirken die angedrohten Strafen und allem voran die übernatürliche Rache der Götter recht harsch. In den Bücherflüchen wird der Diebstahl eines Buches mit Blasphemie oder Mord auf eine Stufe gestellt. Allerdings ist das Herstellen eines Buches – egal ob als Tontafel, Papyrusrolle oder mittelalterlicher Kodex – vor Einführung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern äußerst aufwendig. Im Mittelalter werden Bücher in sogenannten Skriptorien per Hand abgeschrieben.

Der Prozess ist kostspielig, in der Regel arbeiten mehrere Personen an einem Buch: Schreiber*innen oder Skriptor*innen kopieren den Text, verzieren oft die Initialbuchstaben und heben einzelne Passagen hervor. Illustrator*innen widmen sich der malerischen Gestaltung des Buches, zum Beispiel mit Zeichnungen und Bordüren, die eigene kleine Kunstwerke sind. Nicht selten werden diese mit kostbarem Blattgold und teuren Farbpigmenten gestaltet. Das fertige Buch ist selbstverständlich ein Unikat. Der Nachdruck, mit dem vor Diebstahl gewarnt wird, ist also verständlich.

Erinnern wir uns kurz an die verfluchten Grabkammern der alten Ägypter – auch hier sollen bedeutsame, heilige, kostbare Artefakte vor Raub geschützt werden. Auch wenn nicht immer erfolgreich, so hat uns dieses Vorgehen doch immerhin eine Reihe unterhaltsamer Gruselgeschichten und -filme beschert. In mancher mittelalterlichen Bibliothek werden einige Bücher auch an die Regale gekettet, um Diebstahl zu verhindern. Andere Bücher sind mit Schlössern versehen, um ihren Inhalt vor unbefugten Augen zu schützen.

Wissen, so wird hier außerdem angedeutet, ist Macht. Nicht jedes Buch soll von allen gelesen werden können – und dies selbst zu einer Zeit, in der nur wenige Menschen des Lesens mächtig sind. Vom Bücherfluch sind es (Spoiler!) in der Tat nur wenige Schritte zum vergifteten Traktat, wie Umberto Eco es sich in „Der Name der Rose“ vorstellt.

Der mittelalterliche Buchfluch droht meist mit Exkommunikation bzw. einem Kirchenbann oder ewiger Verdammnis. Während eine Exkommunikation nur bei Überführung der diebischen Person in Kraft treten kann, hat die Verdammnis, wie schon im assyrischen Bücherfluch, den Vorteil, auch ohne menschliche Intervention ihre Wirkung entfalten zu können.

Der mittelalterliche Buchfluch taucht im Gegensatz zum Exlibris in der Regel im Kolophon, also am Ende eines Buches auf. Hier finden sich außerdem Angaben zu den Verfassenden, zum Inhalt oder den Auftraggeber*innen. Ähnlich wie später bei den Exlibris reichen die Darstellungen dieser Angaben von einfachen handschriftlichen Vermerken, bis hin zu aufwendig gestalteten, kleinen Kunstwerken.

Manche Flüche nehmen die Form kleiner Gedichte an und malen sich besonders kreative Strafen aus. Dieser Buchfluch aus einem Werk mit dem schönen Namen „Chemische Rezepte. Alchemische Traktate und Lehrgedichte“ von 1552 lautet beispielsweise:

Dieses Buch ist auch Under

die Rauber gerahten. In

meinem Abwesen.

Wer dafindt auff einer Ungekerten Banck

Mus sterben Ehe er Würt kranck.

Dieses Buch belassen wir also lieber im Regal. Der folgende Bücherfluch ist etwas pädagogischer, er lobt alle, die das Buch gut behandeln: „Servanti benedictio, tollenti maledictio“ („Wohl dem Bewahrenden, wehe dem Dieb“).

Der Buchdruck: Geburtsstunde des Exlibris

Der Buchdruck ist keine europäische Erfindung. Im Chinesischen Reich wird schon im Jahr 868 ein Buch mittels Holztafel- oder Blockdruck hergestellt. Das Verfahren funktioniert im Grunde wie ein Holz- oder Linolschnitt. Die Buchseite wird komplett, mit Abbildungen und Schrift, in eine Holztafel geschnitzt, welche dann anschließend auf Papier gepresst und somit gedruckt wird. Nach Europa kam der Blockdruck allerdings erst im 14. Jahrhundert.

Johannes Gutenberg gilt heute als Erfinder des Buchdrucks mit beweglichen Lettern. In Korea wird 1377, also gut 80 Jahre vor Gutenberg, schon eine Anthologie der Zen-Lehre mit beweglichen Bronzelettern gedruckt. Das Verfahren setzt sich hier jedoch nicht durch. Möglicherweise, weil es sich für die mehr als 100.000 chinesischen Schriftzeichen nicht anbietet.

In Europa, genauer: in Mainz, entwickelt Johannes Gutenberg zwischen 1450 und 1457 ein Verfahren, bei dem die Lettern oder Typen in einzelnen Setzkästen angeordnet und dann mit einer mechanischen Druckpresse zu Papier gebracht werden. Der Druckvorgang wird damit flexibler, schneller und preisgünstiger. Ein Buch ist nicht länger ein handgeschriebenes Unikat, sondern kann gleich in einer größeren Auflage vervielfältigt werden.

Die Bedeutung dieses Druckverfahrens für die europäische Kultur und Geschichte ist enorm. Der Buchdruck nach Gutenberg ermöglicht die massenweise Verbreitung von Informationen und Wissen. Nachrichten, Traktate und Pamphlete sind jetzt einfacher zugänglich und können freier zirkulieren. Eine vollkommene Demokratisierung des Wissens findet allerdings nicht statt. Wo Meinungen verbreitet werden, ist die Zensur durch kirchliche und weltliche Machthaber*innen nicht weit. Der Buchdruck begünstigt auch den Ausbau bürokratischer Strukturen. Überwachungs- und Machtmechanismen werden also nicht abgeschafft, sondern verändern sich lediglich.

Bücher sind nach wie vor kostbar, aber nicht mehr allein Klöstern und Herrschenden vorbehalten. Vor allem das aufstrebende Bürgertum profitiert davon, dass Bücher erschwinglicher werden, und in den Häusern wohlhabender Kaufleute sind vermehrt Bibliotheken zu finden. Auch die Bibliotheken von Klöstern, Universitäten und Herrschenden werden größer. Jedes Buch mit einem handschriftlichen Vermerk oder gar einer Illustration zu versehen, ist nun zu aufwendig.

Doch auch dafür hat die Gutenbergsche Druckpresse eine Lösung: das Exlibris. Der Eigentumsvermerk wird jetzt einfach auf ein Blatt Papier gedruckt und in das Buch eingeklebt. Die Blätter können beliebig vervielfältigt werden und die Bücher sind schnell gekennzeichnet. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Exlibris weniger aufwendig gestaltet ist. Kunstschaffende wie Albrecht Dürer oder Lucas Cranach d. Ä. entwerfen Exlibris-Holzschnitte. Später kommen auch Kupferstiche und andere Lithografietechniken zum Einsatz. Im 16. Jahrhundert werden die kleinen Grafiken außerdem oft noch per Hand koloriert.

Die ersten Exlibris dieser Art sind in Deutschland für das 15. Jahrhundert belegt. Von dort aus verbreiten sie sich in ganz Europa. Beliebte Motive sind zunächst Wappen und Ornamente in Verbindung mit den Worten „Exlibris“ (lat. „aus den Büchern [von]“). Vereinzelt findet sich auch die Angabe „Ex bibliotheca“, also „aus der Bibliothek (von)“. Auch Grafiken mit symbolischer Bedeutung finden sich bereits im 16. Jahrhundert.

Bucheignerinnen

Lesen, Schreiben und vor allem der Besitz von Büchern sind lange Zeit der sozialen und politischen Elite vorbehalten und patriarchal dominiert. Es ist demnach nicht verwunderlich, dass bis ins 19. Jahrhundert die meisten Exlibris die Namen wohlhabender Männern tragen.

Lesende und schreibende Frauen, die Bücher besitzen und sie stolz mit ihrem Namen kennzeichnen, gibt es aber trotzdem. Im Mittelalter betätigen sich Nonnen genauso wie Mönche als Schreiber*innen. Eine der wichtigsten Büchersammlerinnen des Spätmittelalters ist Margarethe von Rodemachern. Einen Teil ihrer Bücher erbt sie von ihrer Mutter, Elisabeth von Lothringen sowie ihrem Bruder. Weitere Bücher lässt sie anfertigen oder erwirbt sie durch Tausch bzw. Kauf. Außerdem scharrt sie einen kleinen Kreis von adeligen Bücher-Enthusiast*innen um sich.

In einem ihrer Andachtsbücher vermerkt Margarete einen Teil ihrer Familiengeschichte, eine Praxis die zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich ist. Viele Bucheigner*innen halten ihre Familiengeschichte, manchmal auch den Kaufpreis des Buches in diesem fest. Margarethe von Rodemachern informiert uns darüber, dass ihre Tochter früh verstorben ist und hält fest, dass auch ihr Ehemann Gerhart von Rodemachern bereits verstorben ist. Die Seite ziert außerdem ihr Wappen.

Von der handschriftlichen Notiz konnten wir Folgendes entschlüsseln:

Item vff den Feir dag nast

n? vnßers her(n?) leich???s dag

da starp der edelwolgeboren

gerhart her(r) zu rodenmach

ern zu ???ncborg vn(d) zu der

wenborg da(?)got der almetig

gnedig vnd barmhertzig

sin wille myn hußwirt sch???

da man schreibt düßant vier

hondert vn(d) vii vn(d) fonfzig

Nur wenige Frauen haben ihr eigenes Exlibris. Vor allem wohlhabende, einflussreiche Frauen, oftmals verwitwet, lassen sich ein eigenes Bucheignerzeichen herstellen. Oft verwenden Frauen auch die Exlibris ihrer männlichen Verwandten und tragen ihren eigenen Namen handschriftlich nach. Die systematische Erforschung von Bucheignerinnenschaft hat in den letzten Jahren deutlich gemacht, dass Frauen Bücher besessen und als ihr Eigentum gekennzeichnet haben.

Auch wenn lange Zeit davon ausgegangen wurde, dass die Büchersammlungen von Frauen vor allem Belletristik und religiöse Werke umfassen, ist heute klar, dass die Bibliotheken von Frauen genauso breit gefächert sind wie ihre Interessen.

Taschenbücher und kleine Kunstwerke

Im 18. Jahrhundert steigt die Buchproduktion in Europa noch einmal an. Der Roman gewinnt an Popularität und verdrängt bald sowohl wissenschaftliche und theologische Schriften als auch tagespolitische Pamphlete von der Spitze der europäischen Buchproduktion.

Aus den sogenannten Musen-Almanachen des 18. Jahrhunderts – periodisch erscheinende Schriften mit literarischen Rezensionen, Nachrichten, Erstveröffentlichungen und Gedichten – entwickelt sich im 19. Jahrhundert das Taschenbuch. Mitte des 19. Jahrhunderts kommen ganze Taschenbuchreihen auf den Markt, Reclams Universal-Bibliothek, die bis heute verlegt wird, stammt beispielsweise aus dieser Zeit. Mit der Einführung des Taschenbuchs wachsen die privaten Bibliotheken noch einmal sprunghaft an.

Eine regelrechte Flut künstlerisch gestalteter Exlibris schwappt im 19. Jahrhundert über Europa hinweg. In Deutschland verhilft der Maler, Bildhauer und Grafiker Max Klinger dem Exlibris zu neuem Aufschwung.

Es bildet sich eine rege Sammel- und Tauschkultur. Auch werden nun Exlibris in Auftrag gegeben, die nicht mehr den Besitz von Büchern kennzeichnen sollen, sondern vornehmlich Sammelstücke, eigene Kunstwerke sind. 1891 gründet sich die Deutsche Exlibris-Gesellschaft e.V., die bis heute besteht. Ende des 19. Jahrhunderts erscheinen außerdem erste Exlibris-Sammelbände.

Die Vielfalt der abgebildeten Motive nimmt stetig zu, im Jugendstil blüht das künstlerisch gestaltete Exlibris jedoch noch einmal neu auf.

Heute haben viele Bibliotheken und Kunstmuseen eine eigene Exlibris-Sammlung. In der Provenienzforschung, die sich mit der Herkunft von Kulturgütern beschäftigt, spielen Exlibris und andere Vermerke von Bucheigner*innen eine wichtige Rolle. Die SLUB Dresden erläutert in ihrer virtuellen Ausstellung „mind the gap. Von geraubten Büchern, fairen Lösungen ... und Lücken“, wie mithilfe von Exlibris und anderen Eigentumsvermerken der Weg eines Buches rekonstruiert wird. So können beispielsweise Bücher, die ihren Eigentümer*innen während des Nationalsozialismus geraubt wurden, wieder zurückgegeben werden.

Bücherdieb*innen und schludrige Bibliotheksnutzer*innen müssen sich heute nicht mehr vor dem Zorn Gottes oder der Exkommunikation fürchten. Sollte die fristgerechte Rückgabe eines Bibliotheksbuches einmal versäumt werden, droht statt ewiger Verdammnis nun ein Mahnbescheid mit Strafgebühr. Bei Verlust muss das Buch ersetzt werden. Dies gestaltet sich heute in der Regel natürlich wesentlich einfacher als im Assyrischen Reich oder im Mittelalter.

Hat Ihnen die Handschrift von Margarethe von Rodemachern gut gefallen? Dann erstellen Sie doch Ihr eigene Computerschrift damit. In unserer DDBwerkbank zeigt unser Kollege Alan Riedel Ihnen, wie das funktioniert.

Quellen

Exlibris

https://en.wikipedia.org/wiki/Ex_Libris_(Bookplate)

https://de.wikipedia.org/wiki/Exlibris

https://www.exlibris-deg.de/ueber-das-exlibris/

Buchflüche

https://en.wikipedia.org/wiki/Book_curse

https://de.wikipedia.org/wiki/Kolophon_(Schriftst%C3%BCck)

https://bookbindersmuseum.org/you-have-been-warned-book-curses-and-cursed-books/

https://blogs.bl.uk/digitisedmanuscripts/2017/05/frying-pans-forks-and-fever-medieval-book-curses.html

Bucheignerinnen

https://tessa.lapl.org/blogpage

https://earlymodernfemalebookownership.wordpress.com/

https://shakespeareandbeyond.folger.edu/2020/01/24/women-readers-books-owners-names/

https://www.jstor.org/stable/3173638?seq=1

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