Text | Theaterzettel

Des Sängers Fluch

Des Sängers Fluch

Digitalisierung: DE-2208 - Thüringisches Hauptstaatsarchiv

Namensnennung - Nicht kommerziell - Keine Bearbeitungen 4.0 International

Umfang
47
Anmerkungen
Neue Berliner Musikzeitung 18 (30.11.1864), S. 380: "Gestern hatten wir endlich die erste Opernnovität dieser Saison — „Des Sängers Fluch" von G. Langert, wie d. Bl. bereits angekündigt hatten. Das Haus war fast überfüllt; von nah und fern waren kunstsinnige Hörer herbeigeeilt und, was die Hauptsache ist, keiner ist unbefriedigt aus Thaliens Räumen fortgegangen — das neue Werk hat einen vollständigen Erfolg errungen und wird hoffentlich für die Dauer unserm Repertoire einverleibt werden, sowie seinen Rundlauf über alle anständigen Bühnen Deutschlands machen. Der erzielte Success will um so mehr etwas bedeuten, als der hier behandelte Stoff zu denen gehört, von welchen es nach Shakespeare heisst: „Ich komme nicht, zum Lachen Euch zu reizen". Die Fabel, nach der berühmten Uhland'schen Ballade construirt, entspricht in ihrem dramatischen Verlaufe allerdings nicht den höchsten Anforderungen, die man seit Wagner's Vorgange in textlicher Beziehung an ein Musikdrama zu stellen gewohnt ist, aber gleichwohl ist der Text in vieler Beziehung besser, als andere neuere derartige Erscheinungen. Die Musik des jungen Componisten zeigt von sehr glücklicher Begabung und hochachtbarem Streben, das gesangliche Element verräth die besseren italienischen Vorbilder, ohne in flache Schablonenarbeit auszuarten. Vielmehr vermählt sich dem melodischen Fleisse das deutsche gemüthstiefe Element in origineller Harmonik und blühender, effektvoller Instrumentation, welche beide Factoren tüchtiges Studium der neueren dramatisch-musikalischen Erscheinungen, namentlich der Werke Wagner's verleihen.— Die Besetzung war für unsere Verhältnisse im Ganzen gut, im Einzelnen sogar ausgezeichnet. In dieser Hinsicht nennen wir zuerst Frau v. Milde, welche die sehr dankbare Rolle der Ella zur entschiedenen Geltung brachte und zwei Mal bei offener Scene gerufen wurde. Der finstere nordische König fand in Hrn. v. Milde einen vortrefflichen Vertreter. Selbst Frl. Rastelli effectuirte in der Rolle der Glaella mit entschiedenem Beifall, so dass sie nach dem schwungvollen Duett des ersten Actes mit Frau von Milde stürmisch gerufen wurde. Auch Hr. Meffert suchte in der Rolle des Elfried (junger Sänger) — einer sehr dankbaren Aufgabe — das Möglichste zu leisten und hatte einzelne schöne Momente. Der ebenfalls effektvollen Rolle des alten Sängers wollte Herr Lipp nicht vollständig genügen; der Oberpriester wurde von Herrn Schmidt sehr brav gegeben. Der Chor liess, wie bei allen andern Gelegenheiten, seine numerische Schwäche auch heute hervortreten. Das Orchester hielt sich unter der gediegenen Leitung des Musikdirectors Störs sehr brav. Leider veranlassten die unzulänglichen orchestralen Mittel unserer Oper eine Kürzung des sehr Wirkungsreichen Kriegermarsches. Ebenso bleibt es zu beklagen, dass die frische, charakteristische Balletmusik wegbleiben musste, da bekanntlich unser Belletcorps auf sehr schwachen Füssen steht. Grösseren Bühnen würden wir unbedingt zur vollständigen Executirung des glänzenden Marsches, so wie des wirkungsreichen Ballets rathen; der Totaleindruck der interessanten Oper würde dadurch nur noch mächtiger werden. Kommen wir nun nach diesen allgemeinen Bemerkungen — an der Hand der wohlausgestatteten und trefflich bearbeiteten Klavierpartitur — zu den Details der Oper. Derselben fehlt die herkömmliche Ouvertüre; eine spannende Introduction, aus Motiven der Oper construirt, leitet den wirkungsvollen Doppelchor der Priester und des Volkes treffend ein. Von entschiedener Bedeutung und günstigster Wirkung ist No. 4, die Arie Elfriede: „Das Lied, das Gott ergeben" —. Nicht minder fesselte uns Ella's Gesang: „lch bin Braga zugetban". Der schöne Ensemblesatz No. 6: „Auch wir sind Braga zugethan" ist von zündender Wirkung, was vor allem auch von No. 8, Elfrieds Gesänge: „Sie ist die schönste aller Frauen" gesagt werden muss, da hier das Hauptmotiv Elfrieds (doch es tagt in meinem Herzen) glanzvoll zum Durchbruch kommt. Der weitere Verlauf der Nummer, so wie der folgenden, in welcher Gisella auftritt, bietet manches Gelungene. Die Nummer 10: „Hierher und immer hierher" (Ella), so wie No. 11 (Duett der Ella und Giselle) sind wahre Perlen der Oper und schliessen den ersten Aufzug des Werkes sehr effektreich ab. Der zweite Act wird durch eine düster gehaltene Introduction eingeleitet, worauf der finstere, blutdürstige König den eifersüchtigen Einflüsterungen Gisellas zu begegnen sucht. Die ganze Partie ist für Barytonisten mit ziemlicher Tiefe sehr dankbar. Die Scene zwischen dem alten und jungen Sänger ist ebenfalls wirkungsreich. Reizend ist auch der Frauencbor No. 16 erfunden. Von herrlichem Effekt ist aber besonders No. 19: „Du frommes Kind", von Elfried im Garten der Königin gesungen. Der „furchtbar-prächtige" König schüttelt freilich die Schaale seines Zornes auf den jugendlichen Sänger, aber der sangesmüthige Elfried vertraut getrost auf seine gute Sache. Der sich hier anschliessende Ensemblesatz hat eine sehr wirkungsreiche Steigerung, wie überhaupt das grosse Finale dieses Actes alle Achtung vor dem künstlerischen Wollen und Können des Autors abnöthigt. In No. 24 kommt das schöne Hauptmotiv des Elfried von Neuem zur guten Wirkung. Aecht dramatischen Werth hat die Scene der Gisella und des Elfried. Das Gebet (No. 27) ist ein herrliches Musikstück und fand entschiedene Anerkennung. Den Kriegerchor würden wir, um eine Steigerung herbeizuführen, beim zweiten Verse durch Blasinstrumente begleiten lassen. Die Gesänge der beiden Sänger in No. 34 enthalten Ergreifendes und Zündendes in mehrfacher Beziehung. Die Chorsätze wirken ausserordentlich günstig bis zur Catastrophe, wo Elfried vom Tode getroffen das Leben in den Armen seines Vaters aushaucht, und der alte Barde seinen entsetzlichen Fluch dem Tyrannen entgegen schleudert, welche Scene mit dem sich anschliessenden hochpoetischen Schluss ihren mächtigen Eindruck auf den Hörer nicht verfehlen kann. Nächsten Sonntag findet die erste Wiederholung des neuen Werkes statt.“ Weimarische Zeitung Nr. 283 (2.12.1864), S. 1f.
Standort
Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar#Kunst und Wissenschaft - Hofwesen

Urheber
Meyern-Hohenberg, Gustav Freiherr von
Beteiligte Personen und Organisationen
Erschienen
1864-11-27

Weitere Objektseiten
URN
urn:nbn:de:urmel-02ead5c3-f703-435f-8d61-748540f8912a6-00032123-19
Letzte Aktualisierung
21.04.2023, 10:51 MESZ

Objekttyp


  • Theaterzettel ; Text

Beteiligte


Entstanden


  • 1864-11-27

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