Hosen – von Damenmode, Kleiderreformen und Selbstbestimmung

31.03.2021 Theresa Rodewald (Online-Redaktion)

Zusätzlich zum Internationalen Frauentag am 08. März ist in den USA, Großbritannien und Australien der gesamte Monat der Frauenrechtsgeschichte gewidmet. Jährlich werden anlässlich des „Women’s History Month“ Frauen und ihr Beitrag zur Gesellschaft hervorgehoben und gefeiert. Das ist wichtig, denn lange wurden Frauen aus der Geschichte herausgeschrieben, ihr Kampf um Gleichberechtigung kleingeredet und ihr Engagement von Politik und Wissenschaft ignoriert. Frauengeschichte zu beleuchten bedeutet deshalb auch, den Blick auf das Private zu richten, auf Bereiche, die oft als nebensächlich abgewertet wurden, es aber keineswegs sind.

Ein kulturgeschichtlicher Blick auf das Alltägliche ist hier besonders hilfreich. In diesem Spotlight widmen wir uns Frauen und ihrer Kleidung. Wir untersuchen das Streben nach Emanzipation als (modische) Selbstbestimmung, als Kampf darum, sich frei bewegen zu können und sich das männliche Kleidungsstück par excellence – die Hose – anzueignen.

Von Ötzi bis zum Ritter: Eine kurze Geschichte der Hose

Die geschlechterspezifische, binäre Unterteilung in Hose gleich männlich und Rock bzw. Kleid gleich weiblich ist verhältnismäßig jung und hat ihren Ursprung in Europa. In anderen Kulturkreisen tragen Männer bis heute lange Tuniken oder Wickelröcke, wie zum Beispiel den südasiatischen Lungi oder den südostasiatischen Sarong. Im arabischen Raum und Asien sind locker geschnittene Pluderhosen als Frauenkleidung weit verbreitet.

In Europa ist die Hose vermutlich schon seit der Eiszeit bekannt; die berühmte Gletscherleiche Ötzi etwa hat hosenähnliche Beinlinge an. Bei den alten Griechen und Römern tragen sowohl Frauen als auch Männer Tuniken, Hosen gelten als „barbarisch“ und werden belächelt. Bei den Kelten und Germanen werden sie ganz selbstverständlich auch von Frauen getragen. Ausschlaggebend für die Entscheidung zwischen Rock und Hose ist zunächst die Temperatur: Während lange, fließende Gewänder besonders bei hohen Temperaturen von Vorteil sind, spenden Fellhosen in kalten Gebieten Wärme.

Das Wort „Hose“ leitet sich vom althochdeutschen „hosa“ ab und bezeichnet ursprünglich lange Strümpfe, die als Teil der Ritterrüstung unter der eigentlichen (Unter-)Hose, dem sogenannten „bruch“, getragen werden. Im Mittelalter wird die Hose zum männlichen Kleidungsstück. Zunächst sind es Strümpfe, die am Wams befestigt werden, dann Strumpfhosen, breite Pluderhosen und schließlich die Culotte, eine knielange, enganliegende Hose, die mit Seidenstrümpfen getragen wird.

Zwischen 1650 und 1680 ist die Rheingrafenhose, ein weiter Hosenrock, bei Männern der adeligen Oberschicht modern. Für Frauen ist selbst ein Hosenrock inzwischen keine Option mehr. Stattdessen gehört seit der Renaissance das Korsett zur Kleiderordnung adeliger Frauen. Ab 1550 gibt die strenge spanische Hofmode den Ton an: Das Korsett schnürt die Brust ab und sorgt so für einen flachen Oberkörper. Um 1640 entwickelt sich am französischen Hof eine Korsettform, die die Brust hochhebt, das Dekolletee betont und die Taille so schmal wie möglich zur Wespentaille formt.

Freiheit, Gleichheit Brüderlichkeit? Neue Kleiderordnungen nach der Französischen Revolution

1791 will die Französischen Revolution das Ancien Régime und seine Gesellschaftsordnung erneuern – von der politischen Organisation bis zur Zeitrechnung. Auch bisher geltende Kleiderordnungen werden hinterfragt. Die Revolutionäre tragen nicht nur die rote Jakobiner-Mütze, sondern auch „pantalons“, die bis zum Knöchel reichen, gerade geschnitten und eigentlich der arbeitenden Bevölkerung vorbehalten sind. Die Culotte der Adeligen lehnen die Revolutionäre ab und sind daher bald als Sansculotten (aus dem Französischen „sans“ für ohne) bekannt.

Auch Frauen tragen das revolutionäre Kleidungsstück und organisieren sich in politischen Clubs. Allerdings bleiben Freiheit und Gleichheit lediglich wohlhabenden Männern vorbehalten, und die Frauenclubs werden schon 1793 verboten. In Paris müssen Frauen nun bei den städtischen Behörden einen Antrag stellen, wollen sie eine Hose tragen.

Selbst nach der Verbannung Napoleons nach St. Helena und der Beschließung der politischen Restauration auf dem Wiener Kongress bleibt die Revolutionsmode teilweise bestehen. Männer tragen lange Hosen und kurze, ungepuderte Haare. Es werden Stimmen laut, die das Frauenkorsett abschaffen wollen. Vor allem gesundheitliche Folgen, von Deformationen und Atemproblemen bis hin zu Organschäden, werden in den Vordergrund gestellt – Selbstbestimmung spielt hier keine Rolle.

Die Kritik ist zunächst erfolgreich, und die Empire-Mode des frühen 19. Jahrhunderts kommt ohne Korsett aus. Schon ab 1825 werden die Taillen allerdings enger geschnürt denn je, und die S-Silhouette, bei der die Brust nach vorne und der Bauch nach hinten gedrückt werden, kommt in Mode. Kurzzeitig ist das Korsett auch für Männer en vogue, wird aber nie so eng geschnürt wie das Damenkorsett und gerät relativ schnell wieder in Vergessenheit.

Mode, Macht und Repräsentation

Während die Männermode nicht zum vorrevolutionären Stil zurückkehrt, die Perücke vollkommen aus der Öffentlichkeit verschwindet und Kniebundhosen höchstens noch als Knickerbocker getragen werden, gibt es für Frauen eine modische Restauration, eine Rückkehr zum Korsett und zu schweren Kleidern mit mehreren Metern Umfang. Das gilt vor allem für Damenkleidung der wohlhabenden Oberschicht. Arbeitenden Frauen fehlen nicht nur die finanziellen Mittel für kostspielige Kreationen, sie sind im Alltag außerdem auf Bewegungsfreiheit angewiesen.

Kleider aus der Mitte des 19. Jahrhunderts erzählen also auch von Machtverhältnissen und Rollenverständnissen: Die wohlhabende Frau ist beim An- und Auskleiden auf Hilfe von Bediensteten angewiesen bzw. kann sich diese leisten. Kleiderwechsel finden mehrmals am Tag statt. Die „Herrin des Hauses“ erfüllt eine repräsentative Funktion, die sich auch in ihren Kleidern und der von ihnen ausgehenden Bewegungsunfähigkeit ausdrückt. Das Korsett bringt ihren Körper gewaltsam in Form und erzwingt eine aufrechte Haltung – die enge, beschränkte und starre Position der Frau in der Gesellschaft, ihre eingeschränkten Möglichkeiten und die Reduktion auf dekorative Zwecke wird in der Mode deutlich gespiegelt. Es gilt: Je prunkvoller und kostbarer das Kleid einer Frau, je größer sein Umfang, desto vermögender ist der Ehemann.

Kampf um die Hose

Im Zuge der Französischen Revolution hat sich ein Anspruch auf gesellschaftliches Mitspracherecht formiert, der inzwischen zwar wesentlich leiser geworden, aber nicht verstummt ist. Mit der Forderung nach politischem Einfluss geht auch der Wunsch nach Selbstbestimmung einher, der sich unter anderem an der Hose festmacht, die inzwischen das standardmäßige, männliche Kleidungsstück geworden ist. Dass Frauen einen Anspruch auf die Hose und damit auf Gleichstellung und Mitsprache stellen, ist Mitte des 19. Jahrhunderts ein Skandal. Die Frage, wer hier eigentlich die Hosen anhat, wer über Macht und Einfluss verfügt, erhält jetzt ihren sprichwörtlichen Charakter. Vor allem Frauen, die finanziell unabhängig sind und sich damit der patriarchalen Ordnung entziehen können, tragen gesellschaftlichen Tabus und rechtlichen Zwängen zum Trotz öffentlich Hosen.

In den USA, der Neuen Welt, in der die Möglichkeiten einer neuen Gesellschaftsordnung heiß diskutiert werden, formiert sich Mitte des 19. Jahrhunderts eine Emanzipationsbewegung, die auch die Frauenhose einführen will. Die Herausgeberin der feministischen Zeitschrift „The Lily“, Amelia Bloomer, macht 1851 ein Hosenkostüm populär, das aus knöchellangen, lockeren Hosen besteht, über denen ein etwa knielanges Kleid getragen wird.

Die Bloomers, wie sie bald genannt werden, sind eine Sensation und sorgen auch in Europa für große Aufregung. Die couragierten Trägerinnen ernten nicht nur Argwohn, sondern auch Spott. Satire-Zeitschriften wie das britische „Punch“ widmen den Bloomers zahlreiche abschätzige Karikaturen und Berichte, aus denen vor allem ein Unbehagen gegenüber weiblicher Selbstbestimmung hervorgeht. Immer wieder wird die Angst deutlich, Frauen könnten die Gesellschaftsordnung umdrehen und ihrerseits alle Männer unterdrücken Diesen Vorwurf hören Frauenrechtlerinnen bis heute.

Veränderung: Reformkleidung, Selbstbestimmung und frühe Damenhosen

Die Industrielle Revolution führt Ende des 19. Jahrhunderts zu gesellschaftlichen Veränderungen: Elektrizität und technischer Fortschritt läuten einen neuen Lebensstil ein und schaffen im öffentlichen Raum mehr Möglichkeiten für Frauen. Damit ändern sich auch die Anforderungen an die Damenkleidung: Funktionalität und Bewegungsfreiheit spielen eine immer größere Rolle.

Erneut regt sich Widerstand gegen das Korsett. Im Gegensatz zu früheren Diskussionen mischen sich unter die Warnungen von Ärzt*innen nun auch Frauenstimmen, die das Korsett aus emanzipatorischen Gründen ablehnen. Reformbestrebungen wie jene des „Vereins zur Verbesserung der Frauenkleidung“ entwickeln Alternativen. Dazu gehört zum Beispiel das locker geschnittene Reformmieder anstatt eines Korsetts oder eine Kombination aus Rock und Bluse, die zu mehreren Gelegenheiten getragen werden kann, weniger Stoffschichten aufweist als herkömmliche Kleider und dadurch mehr Bewegungsfreiheit bietet.

Der Ansatz von Amelia Bloomer, Kleid und Hose zu kombinieren, wird in den folgenden Jahren verschiedentlich aufgegriffen. Inspiriert vom sehr populären „Orientalismus“ entwirft Designer Paul Poiret 1910 ein Hosenkleid, das eine Pumphose mit einem wadenlangen, gerade geschnittenen Kleid kombiniert. Bei der Präsentation seiner neuen Kreation beim Pferderennen von Auteuil in Paris kommt es zum Aufruhr. Als Jupe-Culotte oder Hosenrock wird die gewagte Kreation trotzdem getragen.

Frauen, die Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in der Öffentlichkeit hosenähnliche Kleidung tragen, beweisen Mut, denn sie werden nicht nur ausgelacht, sondern auch angegriffen oder verhaftet. Eine Frau im Hosenrock gilt paradoxerweise gleichermaßen als unweiblich und lasziv. Modepostkarten greifen die Debatte auf und bewerben den Hosenrock verschiedentlich als emanzipatorische Kleidung (wie im Bild unten), betonen die inneren Werte der Trägerin, indem geschickt gefragt wird „Ob man in Hosen auch gefallen wird dem Mann? Es kommt, gleich einem Buch, nur auf den Inhalt an“ oder stellen die Kleidung als keck und besonders gewagt dar.

Ihren Durchbruch hat die Damenhose dank der zunehmenden Popularität sportlicher Betätigung. Auch wenn zunächst spezielle Korsetts für den Sport entworfen werden, setzt sich die Hose am Ende durch. Beim Turnen, Reiten, Wandern und Skifahren etwa ist es fortan akzeptabel, als Frau eine Hose zu tragen. Wichtig ist hier außerdem der Siegeszug des Fahrrads. Denn neben körperlicher Betätigung ermöglicht es Frauen, sich relativ unabhängig im öffentlichen Raum zu bewegen. Gegen den Widerstand konservativer Kreise fahren Frauen schon Ende des 19. Jahrhunderts Fahrrad und tragen dabei bequeme Kleider oder Hosenröcke.

Im Ersten Weltkrieg übernehmen Frauen krisenbedingt Tätigkeiten in Fabriken und Produktionsstätten, die zuvor von Männern ausgeführt werden. Dabei setzen sich Overall und Hose als praktische Arbeitskleidung durch. Zwar bleibt die Hose bis in die 1940er Jahre vornehmlich ein Behelfskleidungsstück für Sport und Arbeit, ihre gesellschaftliche Brisanz aber ist nach dem Ersten Weltkrieg abgeschwächt. In den 1920er und 1930er Jahren taucht die Damenhose immer wieder als Freizeitbekleidung auf. Im privaten Raum hat sie also ihren Platz gefunden, lediglich in der Öffentlichkeit sind hosentragende Frauen weiter verpönt, was Designer*innen wie Coco Chanel nicht daran hindert, als Teil ihrer funktionellen Damenmode auch elegante Hosen zu entwerfen.

Marlene Dietrich und das kurze 20. Jahrhundert

In den 1930er Jahren eignet sich Marlene Dietrich nicht nur die Hose, sondern gleich den gesamten Hosenanzug an – vom arabisch inspirierten Reiterkostüm bis zum eleganten Frack. Damit bricht sie tradierte Geschlechterrollen und revolutioniert nebenbei die Modewelt. Die hochgeschnittene, weite Hose findet zahlreiche Nachahmerinnen und ist bis heute als Marlene-Hose bekannt.

Bis in die 1970er Jahre haftet der Frauenhose trotzdem der Ruf als extravagantes oder unangemessenes Kleidungsstück an. Hotels und Restaurants verwehren Frauen im Hosenanzug den Zutritt, und im Bundestag kommt es zum Eklat, als die SPD-Abgeordnete Lenelotte von Bothmer eine Rede im Hosenanzug hält. Zuvor hatte der CSU-Bundestagsvizepräsident Richard Jaeger noch damit gedroht, alle Frauen, die in Hose zur Plenarsitzung erscheinen, des Saals zu verweisen.

Die 68er-Bewegung kritisiert die politische Struktur der Nachkriegsgesellschaft und widersetzt sich ihrer Kleiderordnung. Dazu gehört für Frauen nicht nur der Minirock, sondern auch die Hose. Jeans und Parker werden sowohl von Männern als auch von Frauen getragen. In den 1970er Jahren findet eine optische Annäherung von Damen- und Herrenkleidung statt, die die Modewelt nachhaltig beeinflusst. Heute tragen Frauen in der Öffentlichkeit ganz selbstverständlich Hosen – auch wenn die Gleichstellung von Männern und Frauen damit noch nicht erreicht ist, ist das Streben nach weiblicher Selbstbestimmung in den letzten 150 Jahren ein ganzes Stück weitergekommen.

Welche Kleidung eine Person trägt, mag auf den ersten Blick trivial erscheinen. Der Kampf von Frauen um modische Selbstbestimmung, ihr Anspruch auf funktionale Kleidung und darauf, auch Hosen tragen zu können, zeigt exemplarisch, dass das Private politisch ist. Kleidung bestimmt nicht nur, wie Menschen im öffentlichen Raum wahrgenommen werden, sondern auch, wie sie sich dort bewegen, welchen Tätigkeiten sie nachgehen und wie sie sich beteiligen können.

Mehr über Mode, Kleiderordnungen und Machtverhältnisse erzählen die virtuellen Ausstellungen „Lifestyle im Archiv. Hessische Kleidung aus sechs Jahrhunderten“ und „STATUS MACHT BEWEGUNG. Lust und Last körperlicher Aktivität“. Um Marlene Dietrich geht es in unserem Beitrag über die „Marlene Dietrich Collection“ der Deutschen Kinemathek.

Eine Fülle an historischen Objekten, Ausstellungen und Informationen zur Frauengeschichte hat auch die Europeana zusammengestellt und beleuchtet so die vielfältigen Rollen von Frauen in Kultur, Forschung und Gesellschaft.

Mehr Marlene-Dietrich-Garderobe, Hosenröcke, Turnerinnen, Kleider und Modezeichnungen von Paul Poiret und elegante Hausanzüge finden sich bei uns in der Deutschen Digitalen Bibliothek.

 

Quellen

Wikipedia „Hose“: https://de.wikipedia.org/wiki/Hose#Geschichte_der_Frauenhose

Wikipedia „Trousers as Women’s Clothing“: https://en.wikipedia.org/wiki/Trousers_as_women%27s_clothing

FAZ: https://www.faz.net/aktuell/stil/mode-design/hose-als-politisches-kleidungsstueck-15205717.html

DLF Kultur: https://www.deutschlandfunkkultur.de/von-frauenhosen-und-maennerroecken.1013.de.html?dram:article_id=165364

Galatea Ziss (Modeatelier): https://www.galatea-ziss.de/journal/frauen-in-hosen.html

Astrid Ackermann: „Einschnürungen: Kleidungsreform und Emanzipation; Das lange Band vom 18. ins 20. Jahrhundert“ (2009) bei Genderopen, Repositorium für Geschlechterforschung: https://www.genderopen.de/bitstream/handle/25595/1393/Ackermann_2009_Einschn%C3%BCrungen.pdf?sequence=1&isAllowed=y

Hanne Loreck: „Whoso doth the breeches wear lives a life as free as air“, in: Frauen Kunst Wissenschaft 17 als pdf.

Historisches Museum Frankfurt:

Sonderausstellung „Kleider in Bewegung. Frauenmode seit 1850“: https://www.historisches-museum-frankfurt.de/kleider-in-bewegung

Online-Rundgang: https://www.historisches-museum-frankfurt.de/de/kleider-in-bewegung/online  

Übersicht als pdf: https://historisches-museum-frankfurt.de/sites/default/files/uploads/hmf_kib_leporello_8-seitig_200421_ansicht.pdf 

Schlagworte: