Deutsche Digitale Bibliothek - Kultur und Wissen online

Wer wir sind

Gemälde, Bücher, Musik, Filme, Fotografien, Akten, Manuskripte und vieles mehr: Deutsches Kulturerbe suchen, finden, teilen.

Kalenderblatt : 11. Mai

1878: Der Leipziger Klempnergeselle und Kolporteur Emil Heinrich Max Hödel gibt auf Berlins Prachtstraße Unter den Linden zwei Revolverschüsse auf den mit seiner Tochter Luise vorbeifahrenden Kaiser Wilhelm I. ab. Der flüchtende Attentäter wird an der Ecke Schadowstraße von Passanten gestellt und verhaftet. In der ersten polizeilichen Befragung sagt er aus, er habe nicht den Kaiser, sondern sich selbst erschießen wollen. Tatsächlich verfehlen beide Kugeln ihr Ziel, was aber wahrscheinlich an einer Fehlfunktion des Revolvers oder am schlechten körperlichen und geistigen Zustand des Syphilitikers Hödel gelegen hat. Schnell spricht sich herum, dass man in Max Hödels Jacke Fotografien von August Bebel und Wilhelm Liebknecht gefunden habe und er Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) sei. Reichskanzler Otto von Bismarck nutzt dieses Attentat und die breite Empörung in der Bevölkerung, um gegen die aufstrebende Sozialdemokratie vorzugehen, die er als „Reichsfeind“ betrachtete. Ein hastig eingebrachtes „Gesetz zur Abwehr sozialdemokratischer Ausschreitungen“ scheitert Ende Mai allerdings noch an einer großen Reichstagsmehrheit. Dann schießt am 2. Juni an fast gleicher Stelle Dr. Karl Eduard Nobiling mit einer Schrotflinte auf Wilhelm I. und verletzt ihn schwer. Damit ist für Bismarck der Weg zur Auflösung des Reichstags frei, das von ihm geforderte Sozialistengesetz bestimmt den anschließenden Wahlkampf, aus dem die Konservativen als Sieger hervorgehen. Folgerichtig verabschiedet der neu konstituierte Reichstag das „Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie“ (s. Favoritenliste vom 19. Oktober). Tatsächlich war der Attentäter Hödel, der sich im Winter zuvor von den Leipziger Sozialdemokraten ab- und den Anarchisten um Emil Werner zugewandt hatte, bereits im März wegen Veruntreuungen und Hetze gegen prominente SAP-Führer aus der Partei ausgeschlossen worden. Max Hödel wird zum Tode durch Enthauptung verurteilt. Dies stellt die preußische Justizverwaltung vor Probleme, weil seit 10 Jahren Todesurteile nicht mehr vollstreckt, sondern von Wilhelm in Haftstrafen umgewandelt worden waren: Es lässt sich kein aktiver Henker finden, erst zwei Tage vor Hödels Hinrichtung am 16. August wird mit Julius Krautz ein neuer Scharfrichter bestellt. Sein Richtbeil muss Krautz sich aus dem Märkischen Provinzial-Museum leihen.

Attentat auf Se. Majestät den Deutschen Kaiser (Berlin am 1.5.1878)

Dossiers

Erkunden Sie die Deutsche Digitale Bibliothek

In der Deutschen Digitalen Bibliothek finden Sie digitalisierte Kunstwerke, Bücher, Musikstücke, Denkmäler, Filme, Urkunden und viele andere Schätze.